Am Nachmittag tat Hiroaki das, was er stets an Nachmittagen wie diesen tat. Er besuchte Bobby, zumal er es ihm auch gestern Abend versprochen hatte. Die beiden saßen wieder an ihrem Stammplatz, unter der Graffiti Beschriftung „Fuck you!", und Bobby hockte mal wieder auf der alten Holzkiste, in der einen Hand eine Zigarette, in der anderen eine Flasche Bier. Hiroaki zählte immer wieder sein Geld nach, wovon der gute Laune bekam. „Ach schön...", sagte er, lehnte sich zurück, und blies etwas Rauch in die kühle Herbstluft. „Was haste denn jetzt?", fragte Bobby, der eigentlich nicht sehr interessiert daran war. So war es immer bei den Beiden. Sie sagten sich selten etwas nettes, beschimpften sich eigentlich nur, der eine interessierte den anderen nie mehr als sich selbst, und trotzdem waren sie aus unbesagten Gründen Freunde. Hiroaki betrachtete seinen „Verdienst" mit selbstgefälligem Blick, und sein Grinsen wurde noch breiter. „Ach, Johannes hat mich nur um hundert Mäuse reicher gemacht!"<br />
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Den Kopf auf die rechte Hand gestützt durchsuchte Bobby, die am Boden liegenden Flaschen, und fragte beiläufig: „Was willst du mit der Kohle machen?" Es war ihm ein wenig anzusehen, dass er neidisch war, denn als Obdachloser hatte man nicht so unglaublich viel Geld. Er trug dieselben Sachen wie am Vortag, eigentlich trug er sie immer, und von Tag zu Tag schienen sie mehr zu stinken. Hiroaki legte seinen Zeigefinger auf seine Lippen und seine Augen bewegten sich langsam von links nach rechts, woran man erkannte, dass er nachdachte. „Hm... Was ich damit machen will... Pff, mal sehn, bissl Bier, paar Kippen und... Was hältst du von schwarzen Haaren?"<br />
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Bobby hatte inzwischen eine braune Flasche vom Boden aufgehoben und hielt sie nach oben, um hineinsehen zu können. Das Sonnenlicht blendete ihn jedoch, so das er fast nichts erkannte. „Schwarze Haare? Was weiß ich, bin ich dein Modeberater?!" Hiroaki wedelte aus Spaß ein wenig mit dem Geld vor Bobbys Nase herum, während dieser die Flasche nun auf den Kopf drehte, und als er feststellte, das sie leer war, warf er sie wütend weg.. „Naja...", erklärte Hiroaki, „Das passt bestimmt besser! Blonde Haare und blaue Augen - voll schwul!"<br />
Der braunhaarige hatte seine Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger geklemmt, und wedelt damit in der Luft herum, während er seinem Freund amüsiert Recht gab. „Jo! Voll schwul! Du bist der perfekte Nazi, so was wie Hitlers Kind!"<br />
Doch solche Sprüche trafen Hiroaki nicht im mindesten. Er kannte Bobby, und wusste, dass er es nicht so meinte. Sie warfen sich oft gemeine Dinge an den Kopf, aber eigentlich waren sie daran gewöhnt. „Besser blond, als rostbraun und verlaust!", lachte Hiroaki, und nun musste sich der Andere geschlagen geben. „Fick dich!", murmelte er, während er auf dem Boden vor sich nach ein paar Brotstücken suchte. „Naja, ich geh dann mal. Morgen kannste meine schwarzen Haare bewundern!", grinste Hiroaki, und verabschiedete sich auf diese Weise. Die Idee mit der neuen Haarfarbe gefiel ihm und er wollte sie verwirklichen, bevor er sich`s wieder anders überlegte. Manchmal ging es ihm richtig auf die Nerven, das er so weiblich aussah, und weder den Körperbau noch die Gesichtszüge eines Jungen wie Johannes hatte, obwohl er freilich nicht gern so dümmlich aussehen wollte. Seine blonden Haare hatten das auch nicht grade gebessert, und er war sicher, schwarz sähe viel, viel besser aus.<br />
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„Hiroaki! Was hast du mit deinen Haaren gemacht?!", donnerte Mrs. Satomi ihrem Sohn zur Begrüßung entgegen. Dieser war nicht mehr richtig nüchtern, und das Geschrei ging ihm total auf die Nerven. „Man, reg dich ab Alte!" Er verdrehte die Augen und ging in Richtung seines Zimmers, während seine Mutter hinter ihm herlief und ihm ins Ohr schrie. „Hiroaki! Du hast eine blutige Nase, stinkst nach Rauch und Alkohol, und... Deine Haare!!!" Mehr konnte der Junge nicht hören, denn er schlug im selben Moment die Tür zu seinem Zimmer zu und schloss ab. Während seine völlig aufgelöste Mutter noch ein wenig kreischte, flüsterte er nur: „Fick dich", und ließ sich mit einem Schulbuch ins Bett fallen.<br />
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Hiroakis Zimmer sah eigentlich ganz normal aus. Ein großes Messingbett über dem ein „Umbra et Imago" - Poster hing, daneben ein Nachttisch, mit einer Metallischen kleinen Lampe. Ein Schrank mit allerlei Klamotten stand gegenüber von dem Tisch und der Stereo-Anlage. Seit seinem Eintreffen zu hause lag Hiroaki nun auf seinem Bett und las ein wenig im Biobuch. Eigentlich hätte er in der Schule schlecht sein müssen, da sie ihn einen Dreck interessierte, doch immer wenn ihm langweilig war, oder er auf etwas wartete, las er Schulbücher. So wusste er viele Dinge bereits, bevor sie im Unterricht überhaupt drangenommen wurden, und die Lehrer regte das auf, da er nie im Unterricht aufpasste. Es leuchtete ihnen einfach nicht ein, wie ein Schüler, der die ganze Stunde lang nur träumte und nie seine Hausaufgaben machte sich nur mit Einsen und zweien auf dem Gymnasium halten konnte. Besonders Frau Heine, die Klassenlehrerin, störte sich gewaltig daran, dass ihr Lieblingsschüler Johannes versetzungsgefährdet war, und „dieser freche und vorlaute Hiroaki" fast Klassenbester.<br />
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Nachwort: Also, gleich um mir das Gemecker zu ersparen ;-): Ich weiß, dass Hiroaki nicht grade das tollste Vorbild ist! Und ich weiß, Jüngere könnten, wenn sie das hier lesen würden vielleicht einen falschen Eindruck gewinnen. Deswegen möchte ich klipp und klar sagen, dass ich nur versuche die Personen realistisch wirken zu lassen, keinesfalls soll sich jemand an ihnen ein Beispiel nehmen!!!<br />