Der blondhaarige Junge warf mir einen kurzen Blick zu, und nickte dann. „Von mir aus", nuschelte er, und ging über die Türschwelle, in die Wohnung. Nenci sah mich mit einem Blick an, der mir mehr sagte, als tausend Worte. Ich konnte „Ich hasse diesen Typ" regelrecht in ihren Augen lesen. Mir schien, dass sie so gar nicht in diess Anwesend passen wollte. Vom Aussehen her schon, aber ihr Charakter war ganz anders. <br />
Ich zog meine Schuhe aus, und folgte dann Nenci, durch die hölzerne Tür, nach Drinnen, wo sich vor uns ein riesiges Zimmer auftat, dass mit Teppichen ausgelegt war und in einem braunorangenen Ton gestrichen war. An den Wänden hingen Gemälde, Hirschgeweihe und Wandteppiche, ein riesiges Aquarium stand neben dem Ledersofa, das rechts in einer Ecke, an einem nicht entzündeten Kamin stand. Nenci folgte meinem beeindruckten Blick, verdrehte die Augen, sagte: „Das Gästezimmer", und fügte leise hinzu: „Wo wir doch nie Gäste empfangen..." <br />
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Sie öffnete eine weitere Tür, und da war dann auch schon das Wohnzimmer, mit dem riesigen Kino-Flachbildfernseher und der High-Tech Stereo-Anlage, das Bad, das einen inneren Swimmingpool besaß, von dem aus man ins freie schwimmen konnte, die Bibilotek, mit den tausenden von Büchern, die aussahen, als wären sie in den letzten 200 Jahren von niemandem mehr gelesen worden, das Musikzimmer, mit dem riesigen, weißen Flügel und der erstaunlich vielfältigen Geigen- und Violinensammlung, und irgendwann hörte ich auf zu zählen. <br />
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Schließlich kamen wir an Nencis Zimmer, dass sich nicht sehr vom Rest des Hauses abhob. Kitschige Goldskulpturen auf dem Fensterstock, ein riesiges, rotes Himmelbett, und zwei Kleiderschränke, die mit Schnitzereien verziert waren. In einer Ecke stand ein kleines blaues Sofa, mit gelben, aus Seide gefertigten Kissen, auf das wir uns setzten. Nenci seufzte. <br />
„Ist ja wahnsinn, wieviele Zimmer habt ihr überhaupt?", wollte ich wissen, während ich mich immer noch ganz baff umsah. „Wenn du das, wo Spencer sich immer aufhält mitzählst sind es 42", sagte Nenci, wobei ihre Stimme merkwürdig gereizt klang. „Toll, oder?", fügte sie hinzu, mit einem nicht zu überhöhrenden ironischen Unterton in der Stimme. „Ich glaube die Hälte davon hab ich heute zum ersten Mal gesehen..." <br />
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Zu diesem Zeitpunkt verstand ich nicht, warum Nenci nicht glücklich war, in einem so wundervollen Anwesend zu leben. Dann fiel mir der Junge wieder ein. „Sag mal, wer ist Spencer eigentlich? Dein Bruder?" Doch irgendwie wusste ich die Antwort schon vorher. <br />
„Ich hab keine Geschwister. Spencer ist eine Junge aus der Nachbarschaft, den meine Eltern ganz toll finden. Ich glaube sie versuchen mich mit ihm zu verkuppeln." Ich verzog unweigerlich das Gesicht. „Mit dem?", stieß ich hervor, und stellte mir vor, wie Spencer und Nenci händchenhaltend durch einen Rosengarten spazierten. „Ja", erklärte sie müde, und blickte aus dem Fenster. <br />
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Im gleichen Augenblick öffnete sich die Tür und Spencer trat herein. „Nenci, ich habe dich überall gesucht. Wo warst du die ganze Zeit?" Wieder sah er mich an. „Ich hab Dan das Haus gezeigt", erklärte Nenci kühl. Spencer machte in paar Schritte auf uns zu, und fuhr sich durch seine angeklebten Haare. Ich war aufgestanden, und nun tat Nenci es mir gleich. „Ah, du heißt also Dan, hm? Ich bin Spencer." Er reichte mir seine Hand, doch ich machte keine Anstalten sie zu ergreifen. „Ja, hi Spencer", sagte ich nur, und ging dann achtlos an ihm vorbei. Mit etwas ärgerlicher Stimme fragte er Nenci: „Ich gehe jetzt Polo spielen. Möchtest du mich begleiten?" Ich schloss die Augen. `Polo!`, dachte ich. `Haben die hier alle einen an der Waffel?` <br />
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In überfreundlichem Ton sagte Nenci: „Ja, gern. Ich möchte mich nur noch umziehen, gehst du bitte?" Spencer räusperte sich verlegen und verließ ohne noch groß etwas zu sagen Nencis Zimmer. <br />
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„Du willst Polo spielen gehen?!", platzte ich heraus. „Ist nich dein Ernst, oder?" Sie verdrehte genervt die Augen und flüsterte: „Nicht so laut, ich hab doch keine Lust aber meine Eltern wollen das so und Ende. Du musst jetzt sicher auch nach Hause, also geh." <br />
Einen Augenblick blieb ich verdattert stehen, dann drehte ich mich um, und ging. Natürlich hätte es mich auch genervt unter solchen Spacken zu leben, Polo spielen zu müssen und von meinen Eltern mit so schleimigen Typen wie Spencer verkuppelt zu werden, aber trotzdem war ich sauer auf Nencis greizte Reaktion. Ich wäre wirklich gern noch geblieben, aber so verschwand ich, ohne dass es jemand mitbekam. Dann musste ich eben noch ein bisschen im Park herumsitzen, oder was auch immer. Nach Hause konnte ich jedenfalls nicht.<br />
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